BILDUNGSANGEBOTE: STUDENT(INN)ENVERBINDUNGEN

Burschenschaften / Völkische Studentenverbindungen in Österreich

Der Workshop behandelt die jüngere Geschichte völkischer Studentenverbindungen – Burschenschaften, Landsmannschaften, Sängerschaften, Corps u. a. – von ihrer Re-Etablierung an den österreichischen Universitäten der Nachkriegszeit bis zum heutigen Tag. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der politischen Relevanz der Verbindungen und damit nach ihrer Rolle für die Freiheitliche Partei Österreichs (und vice versa) sowie für den nicht-parteiförmigen Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich. Eine Auseinandersetzung mit den ideologischen Grundpfeilern des völkischen Verbindungswesens liefert den Hintergrund für die Darstellung seiner konkreten politischen Praxis. Unterschiedliche Schwerpunktsetzungen wie z.B. Pennäler, Mädelschaften, Verbindungen eines bestimmten Bundeslandes möglich

Vergemeinschaftet durch das Abverlangen von Standhalten und Beherrschung“

Deutschnationale Burschenschafter fungieren in Österreich sowohl als Sammelbecken für parteiförmig organisierte Rechtsextreme (FPÖ Funktionäre) als auch als Anhänger der militanten Neonazi-Szene und sichern sich durch ihre Männerseilschaften Einfluss, Posten und Privilegien. Die burschenschaftliche Organisation selbst baut dabei auf einer Trias auf, deren Säulen ideologisch aufeinander bezogen und zutiefst antifeministisch und sexistisch konzeptioniert sind. Neben dem völkischen Nationalismus und dem männerbündischen Prinzip vervollständigen Brauchtumsformen wie das in burschenschaftlichen Kreisen kultivierte Mensurwesen diese Trias. So dient der Männerbund und die dahinter stehenden Vorstellungen biologistisch argumentierter Geschlechterdifferenz als sexistisches Ordnungskonzept, das die vermeintlich „natürliche“ Geschlechtertrennung und zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen regelt. Auch die ideologische wie auch politische, antifeministische Agenda deutschnationaler Burschenschaftern zielt nicht selten auf die Renaturalisierung, also die „Wiederherstellung“ einer vermeintlich „natürlichen“ Geschlechterordnung ab. Dieses strikt duale Geschlechtermodell erfüllt dabei bestimmte Funktionen, wie beispielsweise Einflüsse von vermeintlicher Weiblichkeit aus der Sphäre des Politischen, des Männerbundes oder auch der Gesellschaft fernzuhalten.  Im Vortrag mit anschließender Diskussion soll der burschenschaftliche Antifeminismus vor dem Hintergrund der Prinzipien des Männerbundes und dem Wesen der Mensur näher beleuchtet werden.

Mädelsache Deutschnationalismus

Im deutschsprachigen Raum sind Studentenverbindungen an beinahe allen Hochschulen vertreten, aktuell gibt es rund 900 Studentenverbindungen mit etwa 150.000 Mitgliedern. Seitdem Frauen an den Universitäten zugelassen wurden, ist das Privileg, sich in elitären Zusammenschlüssen zu organisieren, jedoch nicht mehr ausschließlich Männern vorbehalten. Auch in Österreich existieren aktuell etwa dreißig Studentinnenverbindungen, von denen die Mehrheit christlich ist. In diesem Kontext hat es zumindest immer wieder Versuche gegeben, gemischte Verbindungen zu gründen. Mädelschaften hingegen sind das Ergebnis des strikt dualen Geschlechtermodells, das in burschenschaftlichen Kreisen verfochten wird und das auch im Verbindungswesen eine klare Geschlechtertrennung vorsieht. Frauen dürfen demnach im männlichen Verbindungsleben nur an ausgewählten Veranstaltungen teilnehmen und übernehmen selbst nur vermeintliche Frauenaufgaben wie die Organisation von Brauchtumsabenden und Sonnwendfeiern oder dienen bei Burschenschafter-Bällen als standesgemäße Tanzpartnerinnen. Mädelschaften haben zwar weniger Einfluss als ihre männlichen Kollegen, dürfen aber nicht unterschätzt werden.

Durch Reinheit zur Einheit!“ Zum Juden-, Intellektuellen- und Frauenhass der Burschenschaften

Am Beispiel der deutschnationalen Männerbünde lässt sich leicht zeigen, wie berechtigt Adornos und Horkheimers Annahme ist, dass die „Erklärung“ des Frauenhasses zugleich „die des Judenhasses“ sei. Schon Sigmund Freud verdanken wir den Hinweis auf eine gemeinsame Wurzel von Frauenfeindschaft/Antifeminismus und Antisemitismus in der aktualisierten Kastrationsangst. Die Kastration ist hier jedoch symbolisch zu verstehen: Gefürchtet wird nicht der Verlust des Penis, sondern der von Macht. Ist es schon die gesellschaftliche Schwäche von Frauen und Juden/Jüdinnen, die den Hass auf sie motiviert, so wird dieser Hass noch gesteigert, wenn seine Objekte versuchen, aus diesem Status auszubrechen.

Der Männerbund als Programm und Wirklichkeit wurde Ende des 19. Jahrhunderts deckungsgleich mit der völkischen Weltanschauung. Den Studentenverbindungen kommt daneben seit dem späten 19. Jahrhundert die Funktion einer männlichen Elitenreproduktionsstätte zu. Diese Organisationsform von Männern dient(e) darüber hinaus dem Zweck, vorm Hintergrund eines strikt dualen Modell der Geschlechter alle dem männlichen Stereotyp widersprechende Einflüsse von konstruierter Weiblichkeit aus der Sphäre der eigenen Sozialisation wie der bürgerlichen Öffentlichkeit fernzuhalten. Als (auch symbolisch inszenierte) Separation von jedem „Weiblichen“ haben Männerbünde eine funktionale Bedeutung für die Sozialisierung des männlichen Stereotyps, die Ausbildung martialisch-heroischer Männlichkeit, die demokratisch-zivilisatorische Einflüsse als „weiblich“ und dem „deutschen“ (männlichen) Wesen entgegengesetzt denunziert.

Freiheitliche Abendlandrettung“ – Zum Verhältnis von Burschenschaften und der FPÖ in Österreich

Eine Analyse der FPÖ kommt nicht darum herum, die Bedeutung deutschnationaler Burschenschafter in der Partei zu unterstreichen, die sowohl als akademisches Rückgrat der Partei dienen als auch als Personalreservoir. Gleichzeitig fungieren deutschnationale Burschenschafter in Österreich auch als Kaderstätte und Verbindungsglied zwischen legal organisiertem Rechtsextremismus und der militanten Neonaziszene. So sind zahlreiche Nationalratsabgeordnete der FPÖ Alte Herren von Burschenschaften und es lässt sich auch sonst kaum ein namhafter Ideologe des österreichischen Neonazismus antreffen, der nicht dem korporierten Milieu entstammt.  Im Vortrag soll daher einerseits der androkratische wie auch der rechtsextreme Charakter der FPÖ am Beispiel der in der Partei kultivierten Ablehnung des Demokratischen, der Relevanz deutschnationaler Burschenschafter sowie des Antisemitismus aufgezeigt werden. Andererseits soll auch die Bedeutung der FPÖ für die europaweite Vernetzung rechter/rechtsextremer Parteien in den Fokus gerückt werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Rolle der FPÖ als Vordenkerin und Wegbegleiterin aktueller antimuslimisch-rassistischer Debatten gelegt.

Die Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit´ (FIPU) ist ein loser Zusammenschluss von WissenschafterInnen in Österreich mit einem gemeinsamen Forschungsinteresse: der Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichheit (Rassismus, Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Ableismus, usw.) und den sie tragenden politischen AkteurInnen. Zentraler Gegenstand ist dabei bislang die äußerste politische Rechte insbesondere, aber nicht ausschließlich, in Österreich. Dennoch definiert die Gruppe sich weniger über die extreme Rechte als Gegenstand als über die gemeinsame Klammer antiegalitärer Ideologien und Ideologeme, gleichgültig, ob diese „rechts“, „links“ oder in der politischen „Mitte“ auftreten.

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