BiLDUNGSANGEBOTE: GESELLSCHAFTSKRITIK (DIVERSES)

Antikapitalismus als Ressentiment

Bewusst und unbewusst verkürzter Antikapitalismus findet sich längst nicht nur mehr auf Seiten der extremen Rechten. Auch geht es bei der Beschäftigung mit dem zuerst fetischistischen und dann faschistischen Antikapitalismus nicht nur darum, diesen pauschal und vorschnell als soziale Demagogie abzutun, auch nicht um den Nachweis, dass Nazis ebensolche sind, sondern vielmehr um die (auch selbstkritische) Frage, wann und wie linke Positionen durch Verbindung mit anderen Ansätzen oder durch deren Neuzusammensetzung zu zentralen Bestandteilen der rechtsextremen Weltanschauung werden können. Insbesondere ein von Marx befreiter, nationalistisch gewandter und antimaterialistischer „Sozialismus“, wie er der Traditionslinie Saint-Simon – Proudhon/Bakunin – Sorel entstammt, kann durchaus wieder den Kern faschistischer Ideologie bilden. Entgegen der falschen Sicherheit ist zu betonen, dass die Verbindung von Marxismus und Sozialismus oder ArbeiterInnenbewegung eine politisch hergestellte und historische war/ist, dass Antikapitalismus nicht per se fortschrittlich im Sinne eines Mehr an allgemeiner menschlicher Emanzipation ist.

Brauchen wir einen neuen Antifaschismus?

Der Antifaschismus als Funktion im Kalten Krieg ist wie dieser tot. Seine theoretischen Annahmen über das Wesen des Faschismus (welche ihn hinderten, das Wesen (besser: das Besondere) des Nationalsozialismus zu begreifen) sind aber immer noch nicht aus der Welt. Nach wie vor ist auf Demonstrationen die in dieser Verallgemeinerung falsche Parole „Hinter dem Faschismus steht das Kapital!“ zu hören. Nach wie vor leugnen viele Linke die relative Unabhängigkeit des Politischen/Ideologischen, das demgegenüber für den bloßen Effekt der ökonomischen Basis gehalten wird. Weil sich aber ohne diese Autonomie in letzter Instanz die Shoah nicht einmal annähernd erklären lässt, schwiegen so lange über das Menschheitsverbrechen; bestenfalls war allgemein von „Barbarei“, der alle (v. a. die „Arbeiterklasse“) zum Opfer gefallen seien, die Rede.

Antisemitismus und Rassismus werden vielerorts immer noch ganz „materialistisch“ auf ihre Funktionalität für (Kapital)Herrschaft reduziert. Das Volk im Schafspelz wird bestenfalls als Objekt groß angelegter Täuschungs- und Spaltungsmanöver betrachtet. Wenigen kommt es in den Sinn, dass es so etwas wie einen subjektiven (psychischen) Gewinn am Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus gibt. Bis heute lebt dieses Erbe in Teilen der antirassistischen Bewegung, welche nur den staatlichen oder institutionellen Rassismus ins Visier nimmt und über den Bewegungsrassismus weitgehend schweigt, fort. Daneben grassiert ein moralischer (multikulturalistischer) Antirassismus, welcher Rassismus als konflikthafte Begegnung mit essentialistisch gefassten „fremden Kulturen“ missversteht und mittels Aufklärung über die „Fremden“ zum friedlichen Zusammenleben mit diesen kommen will.

Kleiner Mann“ ganz groß: Funktion und Wirkungsweise des Autoritären Populismus

Die FPÖ ist wieder am besten Wege, wie bereits 1999 neuerlich zur stärksten Partei unter den unselbständig Beschäftigten zu werden. Bei der Suche nach den Motiven für diese Wahlentscheidung ist schnell von „Protest“ und diesen ausnützenden „Populismus“ die Rede. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Bezeichnung der FPÖ als „rechtspopulistische Protestpartei“ nicht bloß dazu dient, Ross und Reiter nicht beim Namen nennen zu müssen. Denn tatsächlich besteht kein Widerspruch zwischen dem rechtsextremen und populistischen Charakter der FPÖ. Da nicht alle FPÖ WählerInnen über eine gefestigte rechtsextreme Einstellung verfügen, muss jedoch die Frage nach anderen Motiven für die Wahl dieser Partei gestellt werden. Wird das Protest Motiv geltend gemacht, so müssen wir die Ursachen dafür suchen, warum sich dieser Protest gerade im Wählen einer rechtsextremen Partei äußert. Neben dem Fehlen einer attraktiven Linken, die glaubwürdig gegen soziale Desintegration auftritt, sind hier sozialpsychologische Aspekte zu berücksichtigen. Insbesondere sind die Inhalte des Protestes und dessen Funktion für die Stabilisierung des psychischen Haushaltes genau zu betrachten. Die Notwendigkeit des sozialpsychologischen Ansatzes ergibt sich aus der offensichtlichen Irrationalität in der ParteigängerInnenschaft autoritärer Populisten, deren Reden „offenkundig nicht auf der Absicht (beruhen), durch rationales Aufstellen rationaler Ziele Anhänger zu gewinnen, sondern auf psychologischer Berechnung.“ (Adorno) Hier ist übrigens die notwendige Erfolglosigkeit der Versuche, die Bindung der „kleinen Leute“ an den Agitator mittels rationaler Argumentation aufzulösen, angedeutet.

Schall und Rauch – Das Denken der Verschwörungstheoretiker*innen

Verschwörungstheorien haben durch globale Krisen und moderne Medien eine neue Dynamik erfahren. Im Sekundentakt werden dort absurde Theorien und dreiste Lügen über den Globus gejagt: Die Medien werden zentral gesteuert. 9/11 war ein „Inside Job“. Es gibt keinen Klimawandel. Die Bilderberger, die Freimaurer, die Illuminaten, die Juden und/oder Satan regieren heimlich die Welt. PolitikerInnen sind eigentlich eine Reptilienkaste und Deutschland eine Firma. Die Kondensstreifen von Flugzeugen sind in Wahrheit chemische Attacken um die Weltbevölkerung zu kontrollieren… Geglaubt wird, was man glauben will, was sich mit bereits vorhandenen Vorurteilen deckt, was das „Wiederlegen“ der Horrorgeschichten noch schwieriger macht. Dazu wird argumentiert, es habe in der Geschichte ja tatsächlich auch Komplotte gegeben, von simplen Versuchen politischer Einflussnahme durch Lobbyisten bis zum Mordkomplott. Das stimmt, allerdings ist der Umkehrschluss „es gab Verschwörungen, also ist alles Verschwörung“ natürlich absurd.

In der Mitte und rechts daneben – Die Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte. Mögliche Ursachen und Gegenstrategien

Der Begriff „Rechtsextremismus“ suggeriert, dass die Elemente rechtsextremer Weltbilder etwas Randständiges und nicht weiter Beachtenswertes seien. Im öffentlichen Diskurs herrscht nicht selten die Meinung vor, dass Rechtsextremismus und Neonazismus doch ohnehin deckungsgleich seien und alles, was nicht unter das sogenannte Verbotsgesetz fällt, auch nicht als rechtsextrem einzustufen ist. Tatsächlich findet seit Jahrzehnten eine permanente Verschiebung statt. Neue und moderne rechtsextreme Gruppierungen, die auf den ersten Blick so gar nichts mit den springerstiefeltragenden Neonazi-Skins zu tun haben, treten auf den Plan. Gehen wir davon aus, dass die gesellschaftliche Mitte etwas Bewegliches ist, so drängt sich die Frage auf, welche Faktoren dazu beitragen, dass das ideologische Pendel seit geraumer Zeit bis zum rechten Rand ausschlägt. Sich darüber klar zu werden, dass es eine Vielzahl an möglichen Gegenstrategien gibt, ist eines der Ziele dieses Angebots. Im Rahmen von unterschiedlichen Vermittlungs- und Diskursmethoden soll für die Komplexität des Themas sensibilisiert werden. (Dauer Vortrag mit Diskussion: ca. 1,5 Stunden; Dauer Workshop: ca. 3 Stunden)

De woin doch eh nix hackeln“ – Armutsbilder und Verachtung von Armut als gesellschaftliches Phänomen (Vortrag/Workshop)

Die Verachtung jenen gegenüber, die ökonomisch und damit sozial am untersten Ende der Gesellschaften standen und stehen, ist so alt wie das Phänomen Armutsbetroffenheit selbst. Jüngst entzündeten sich die zum Teil höchst polemisch geführten Diskussionen an der Entscheidung einiger Kommunen, sogenannte „Bettelverbote“ zu beschließen und wohnungslose Menschen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Am Thema Mindestsicherung entzünden sich Neiddebatten, die in unterschiedlichem Maße von politischen EntscheidungsträgerInnen stattgegeben wird. Bilder von Armut und Ungleichheit haben sich über die Jahrhunderte zwar verändert. Motive und Denkmuster jedoch kaum. Dass Armut sehr viel mehr ist als die Frage nach monetärem Vermögen, wird in politischen Debatten meistens nicht weiter beachtet. Die Hauptfrage, die uns in diesem Workshop beschäftigt ist die, was „arm sein“ eigentlich genau bedeutet und wie wir selbst Strategien im Umgang mit der so vielschichtigen Armut und den Armutsbetroffenen selbst finden können. (Dauer des Workshops: 3 Stunden)

Reaktionäre Ideologien im Kontext von Staat, Nation, Kapital und Subjektivität (folgt)

Die Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit´ (FIPU) ist ein loser Zusammenschluss von WissenschafterInnen in Österreich mit einem gemeinsamen Forschungsinteresse: der Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichheit (Rassismus, Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Ableismus, usw.) und den sie tragenden politischen AkteurInnen. Zentraler Gegenstand ist dabei bislang die äußerste politische Rechte insbesondere, aber nicht ausschließlich, in Österreich. Dennoch definiert die Gruppe sich weniger über die extreme Rechte als Gegenstand als über die gemeinsame Klammer antiegalitärer Ideologien und Ideologeme, gleichgültig, ob diese „rechts“, „links“ oder in der politischen „Mitte“ auftreten.

Social Media

Neueste Beiträge